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HÖCHSTLEISTUNGSTEAMS IN DER EINZELFERTIGUNG

Wir sprachen mit Lars Vollmer, Gründer der intrinsify GmbH, über Führungskräfte und Führungsteams, Stars sowie unternehmerische Verantwortung.

Herr Vollmer, Sie sagen, dass nur Unternehmen — und dies gelte gerade auch für Einzel-, Auftrags- und Variantenfertiger —, die es schaffen, aus ihren Führungskräften Führungsteams zu machen, auch künftig noch erfolgreich sein werden. Was genau verstehen Sie unter All-Star-Führungsteams oder anders, habe ich automatisch ein Hochleistungsteam, wenn ich ein Team voller Stars habe?
Vollmer: Eben nicht. Das kennt jeder Anhänger von Mannschaftssportarten. Es braucht beides: sowohl gute Individualisten als auch eine Konstellation, in der das Zusammenspiel zum Erfolg führt. Eine Abwehr alleine gewinnt kein Fußballspiel. Ein Sturm auch nicht. Es funktioniert nur, wenn alle gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten und ein abgestimmtes Spielsystem nutzen. An genau dieser Stelle erkenne ich in vielen Unternehmen, genauer gesagt in der Führungsmannschaft, eine eklatante Schwachstelle. Die guten Individualisten sind schon da. Aber es fehlt im Führungskreis oft das tiefe Systemverständnis, wie gemeinsame Leistung im komplexen Wirrwarr des Alltags zustande kommt. Es fehlt eine gemeinsame Sprache, um dies im Führungskreis besprech- und aushandelbar zu machen. Und es fehlt ein Managementinstrumentarium für die systematische Entwicklung des gemeinsamen Spielsystems. In der Großserienfertigung ist so ein Spielsystem schon schwierig aufzubauen. Aber einmal eingerastet, benötigt es wenig tägliche Anpassung. Das ist bei Einzel-, Auftrags- und Variantenfertigern deutlich dynamischer. Auch hier trägt die Analogie der Fußballmannschaft: Jede Woche wartet mindestens ein anderer Gegner, auf den sich ein Topteam einstellen muss — jedenfalls dann, wenn es an der Tabellenspitze stehen will.


Und, um in der Fußballmetapher zu bleiben, was ist, wenn mir die Stars fehlen oder ich am Ende ein Spielfeld voller Neymars habe?
Vollmer: In beiden Fällen fehlt Ihnen was. Aber das Spielfeld voller Neymars führt unweigerlich ins Chaos — fragen Sie mal all die entlassenen Trainer des französisch-katarischen Fußballvereins PSG Paris. Aber wieder zurück in die Führungsetagen der Einzelfertiger: Wenn es nur gute Einzelspieler gibt und das Spielsystem fehlt, steht meist der Inhaber oder der Geschäftsführer staunend vor einem großen Schlamassel. Es erscheint, als sei er der Einzige, der an das große Ganze denkt. Es nervt ihn, dass er scheinbar immer alles zusammenhalten muss und zu viel Zeit in die Vermittlung von Konflikten steckt, statt das Business zu gestalten. Diese Symptome sind nach meiner Beobachtung typisch, wenn das Spielsystem vornehmlich auf das Optimieren von Silozielen ausgerichtet ist. Das gängigste Gegenmittel sind dann Führungskräftetrainings. Aber die sind meist wirkungslos, denn es liegt nicht an individuellen Defiziten, sondern am Spielsystem im Ganzen. Außerdem sind diese Trainings meist pure Trockenübung. So wie Fußballtraining ohne Ball. Und ohne Mitspieler. Und ohne Gegner.


Bei unseren Kunden steht die Produktion, die direkte Wertschöpfung, im Zentrum; der Wettbewerb am Markt ist groß. Sowohl was Personal als auch konkurrierende Produkte, Zulieferer oder Rohstoffe anbelangt. Im Kontext der Wertschöpfung verwenden Sie den Begriff der echten Arbeit. Was genau meinen Sie damit und wie kann Arbeit, gerade in der Fertigung, nicht echt sein?
Vollmer: Wir von intrinsify sprechen von echter Arbeit und Beschäftigung. Das lässt sich mit einem Augenzwinkern lesen, adressiert aber einen wesentlichen Unterschied. Mit echter Arbeit meinen wir die Tätigkeiten zur Befriedigung der nicht ignorierbaren Reize aus der Umwelt. Etwas weniger verquast: all das, was die Wertschöpfung steigert, die Kunden zufriedener und die Wettbewerber wütender macht. Beschäftigung ist all das andere, z. B. die Befriedigung von teils antiquierten Management-Praktiken oder das Business-Theater, das entsteht, wenn Führungskräfte verführerischen Management-Moden hinterherlaufen. Zugespitzt lautet der Unterschied: Sie arbeiten für andere und sind mit sich selbst beschäftigt.


Sie sagen, wir brauchen eine Verantwortungsgesellschaft. Was bedeutet das für den deutschen Mittelstand im Allgemeinen und für Einzelfertiger im Besonderen?
Vollmer: Sie verweisen auf mein bereits 2019 erschienenes Buch „Der Führerfluch — Wie wir unseren fatalen Hang zum Autoritären überwinden“. Damals glaubte ich noch, darauf explizit hinweisen zu müssen, heute spüren fast alle Akteure im deutschen Mittelstand diese Misere: Der Staat zentralisiert immer mehr Entscheidungen und entzieht den Bürgern, den Unternehmern, den Arbeitern und Angestellten schleichend und ständig zunehmend die Verantwortung für ihr eigenes Handeln — unter der Annahme, sie könnten diese nicht adäquat ausfüllen. Das ließe sich allein moralisch-politisch als Rückschritt bewerten, vor allem aber reduziert es die Leistungsfähigkeit des Landes. Dies sei kurz erläutert: Es gibt ein kybernetisches Gesetz, das besagt: „Die Komplexität auf der Lösungsebene muss möglichst genauso hoch sein wie die Komplexität auf der Problemebene.“ Das heißt übersetzt: Wenn die Vielzahl und Vernetztheit der Probleme zunehmen, braucht es „Gegenkomplexität“, also mehr Handlungsvielfalt. Und exakt diese wird durch Entscheidungszentralisierung dramatisch reduziert. Höchstleistungsunternehmen wissen das seit Langem und dezentralisieren intelligent ihre Entscheidungsstrukturen. Der Staat, im Übrigen nicht nur der deutsche, tut an vielen Stellen das Gegenteil und wirkt zwangsläufig mit der Komplexität überfordert. Nach meiner Beobachtung hat das mit der Parteizugehörigkeit recht wenig zu tun. Aber die Unterstellung von Verantwortungslosigkeit bewirkt tatsächliche Verantwortungslosigkeit und damit einen gesellschaftlichen Rückschritt. Dieser Entwicklung wollte ich mit dem Buch ein Wort entgegensetzen.


Und ergänzend dazu, warum steht so häufig der Vorwurf im Raum, Mitarbeiter:innen würden keine Verantwortung mehr übernehmen wollen?
Vollmer: Nach meiner Beobachtung ist das meist (nicht immer) eine Art optische Täuschung. Um eine Analogie zu wählen: Verantwortung ist wie eine große Torte. Ein Großteil der Torte wird in Unternehmen bereits von Regeln, Prozessen, Checklisten und Managementvorgaben aufgefuttert. Ein weiteres Stück nehmen sich Vorgesetzte und nicht selten bleiben am Schluss nur noch ein paar Brösel auf dem Tortenteller liegen. Sprich: Es ist durch Überregulierung kaum noch Verantwortung übrig, die sich ein Mitarbeiter nehmen könnte. Und wenn sich dann die Führungskräfte mit vollen Backen über mangelnde Verantwortungsübernahme beschweren, dann erwächst daraus nicht selten Zynismus und Misstrauen. In anderen Fällen gibt es gute Gründe, Verantwortung von sich zu schieben — auch hier liegt es nicht an der mangelhaften Persönlichkeit und Fähigkeit eines Mitarbeiters, sondern am institutionellen Rahmen, in dem Verantwortung und Leistung entsteht. Und nur in sehr seltenen Fällen liegt es wirklich an dem Unwillen von einzelnen Personen.


Und aus Ihrer Rolle als Begründer von intrinsify, einem Unternehmen, das zu Unternehmensführung und Organisationsentwicklung publiziert, berät und ausbildet, was sind Ihre konkreten Ideen und Ansätze für den wirtschaftlich nachhaltigen Erfolg von Einzel-, Auftrags- und Variantenfertigern?
Vollmer: Diese Frage ist verführerisch, aber ich widerstehe ihr. Wieder hilft mir dabei die Fußballanalogie: Auf die Frage nach Ideen und Ansätzen für den Erfolg der Mannschaft XY in der Bundesliga ließen sich als Antworten nur Plattitüden aufzählen: robuste Verteidigung, möglichst keine Verletzungen, mehr Tore schießen als der Gegner — so was. Und das ist alles Quatsch, denn es ist generisch, letztlich trivial. Erfolg — ob für eine Fußballmannschaft oder für Einzelfertiger — ist nie abstrakt allgemein, sondern immer spezifisch individuell. Gerade deswegen verweise ich auf den Beginn unseres Gesprächs: Für einen zentralen Erfolgsfaktor für Einzel-, Auftrags- und Variantenfertiger halte ich ein zur Wertschöpfung passendes Spielsystem der Führungsmannschaft. Die Bildung dessen lässt sich von außen gut unterstützen. Für das konkrete Handeln aber darf sich das Führungsteam alle klugen Ratschläge von außen verbitten.

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